Digitale Vermessung der Hofgesellschaft. Die Hofdiarien Johann Georgs II. von Sachsen (1656-1680) als frühneuzeitliche Datenspeicher und Quelle der Digital History

Von Stefan Beckert

Die Handschriftensammlung der Sächsischen Landesbibliothek – Staats- und Universitätsbibliothek Dresden (SLUB) beherbergt zahlreiche einzigartige Texte aus den Beständen der ehemaligen kurfürstlich-königlichen Bibliothek. Viele von ihnen sind heute als Digitalisate verfügbar. Darunter befinden sich auch einige Bände der Hofdiarien des Kurfürsten Johann Georgs II. von Sachsen (1613-1680). Sie gewähren einen tiefen Einblick in die kulturellen Praktiken und die gesellschaftliche Ordnung des Dresdener Hofadels im 17. Jahrhunderts. Aufgrund ihrer seriellen Form eignen sie sich besonders für die Erschließung und Erforschung mit digitalen Verfahren. Teils in schweres Leder gebunden, teils schmucklos in kaum gebundenen Konvoluten abgelegt, dokumentierte das Oberhofmarschallamt in ihnen tagtäglich die Schauseite des höfischen Lebens: Wer besucht den Hof? Welche Theater- oder Musikstücke werden zu welchen Zeiten und Anlässen an welchen Orten aufgeführt? Wer geht und sitzt in welcher Reihenfolge? – eine präzise Abbildung der höfischen Ordnung im Verlauf der Tage, Monate und Jahre.[1]

Bild 1: Eine beispielhafte Seite aus dem Hofdiarium vom 4. und 5. November 1665 über einen Jagdausflug und einen Gottesdienst (SLUB Mscr.Dresd.K.80, fol. 244v).

Diese Hofdiarien sind Zeugnisse der gesellschaftlichen Ordnung der Barockzeit. Über sie erhalten wir einen Einblick in das Bemühen der damaligen Menschen, eine komplexe und dynamische Gesellschaft übersichtlich und konfliktfrei zu strukturieren. Sie wurden wohl unter anderem dazu genutzt, bei den regelmäßigen Zusammenkünften der Hofgesellschaft einen konfliktfreien Ablauf zu gewährleisten, indem die Ehre und Würde jeder Person angemessen berücksichtigt wurde. Grundlage dafür war die in den Diarien dokumentierte Tradition: Was schon zuvor so gehalten wurde, begründete auch aktuelle Ansprüche.

In gewisser Weise vermitteln derartige Hofdiarien also das Bild einer scheinbar statischen Hofgesellschaft: Der Fürst schreitet vor dem Grafen, der Graf vor dem Freiherrn, und der gelehrte bürgerliche Rat folgt dahinter. Dieses Bild war jedoch fiktiv, denn nicht selten überwanden bürgerliche Räte oder bisher unbedeutende Niederadlige geschickt diese Schranken. Auch alteingesessene Adelsfamilien waren immer wieder Schwankungen in der Gunst der Landesherren unterworfen.[2] Die Bücher dokumentieren also über die Jahre hinweg ebenso das Auf und Ab der einzelnen Hofmenschen am kursächsischen Hof, wobei sie nur das Ergebnis teils langwieriger sozialer Ordnungsproduktionen festhalten: Konflikte, Scheitern und Übertretungen fallen in den stereotypen Eintragungen überhaupt nicht auf.[3]

Die Bedeutung der kursächsischen Hofdiarien in der Regierungszeit Johann Georgs II. geht jedoch über diese gesellschaftliche Dokumentation hinaus: Zwischen 1656-1680 erlebte das kulturelle, insbesondere das musikalische Leben in Dresden eine außergewöhnliche Blüte. Noch heute reisen Forscherinnen und Forscher nach Dresden, um aus den Hofdiarien Informationen über italienische Musiker am Dresdner Hof, Uraufführungen berühmter Opern oder die imposanten Festinszenierungen vor der barocken Kulisse Dresdens zu erhalten.[4] Die im Hauptstaatsarchiv und SLUB überlieferten Hofdiarien sind aber mehr als „nur“ eine Quelle für die Kunst- und Musikgeschichte oder die klassische Geschichtsschreibung – sie sind vormoderne tagebuchartige Datenspeicher, die mit Methoden der Digital Humanities in nachnutzbare Formen überführt werden können. Einen Teil dieser Arbeit konnte ich im Rahmen eines anderthalbjährigen Forschungsstipendiums der SLUB Dresden bereits angehen. Dieser Blogbeitrag ist auch als kurzer Einblick in diese Arbeit gedacht.

Am Anfang stand eine paläographische Hürde: Während die Kurrentschrift der Hofdiarien für geübte Paläograph*innen keine besondere Herausforderung darstellt, kapitulieren selbst geübte Leser*innen vormoderner Handschriften vor deren gewaltigem Umfang: Pro Jahr umfassen die Aufzeichnungen etwa 200 Seiten. Allein für die Regierungszeit Johann Georgs II. gibt es mindestens 20 Bände – insgesamt also über 4.000 Seiten Fließtext, gänzlich ohne Register oder Inhaltsverzeichnisse. Üblicherweise würde man diese Texte über forschungsfragegeleitetes Lesen und Exzerpieren bearbeiten. Ein wenig nachhaltiger Ansatz, da die meisten Exzerpte oft nur eingeschränkt für andere Forschungsfragen weiterverwendbar sind. Klassische Editionen wären zwar wünschenswert, sind aber nur mit erheblichen Zeit- und Ressourcenaufwand zu realisieren. Zudem wären fundierte interdisziplinäre Perspektiven notwendig, um die enthaltenen Inhalte angemessen zu erschließen.

Aber was passiert, wenn man statt von einer umfangreichen Edition oder einem von Forschungsfragen geleiteten Ausschnitt von den darin enthaltenen Daten ausgeht?

Bild 2: Auszug aus der TEI:XML des Hofdiariums von 1665 im Oxygen Editor

Ausgangspunkt der folgenden Überlegungen ist die von mir erstellte vollständige händische Transkription und Annotation des Hofdiariums von 1665 in TEI:XML. Dieses Dateiformat speichert neben dem eigentlichen Text auch Layoutinformationen. Außerdem können vergleichbar zu einem Register eindeutig identifizierbaren Personen, Orten und anderen Entitäten ausgezeichnet werden. Die einzelnen Tagebucheinträge werden separat erfasst und können nach Datum sortiert werden. Damit ist das Hofdiarium nicht nur für Menschen lesbar, sondern auch maschinell durchsuchbar. Diese digitale Aufbereitung ermöglicht es, verschiedene Daten miteinander zu verknüpfen und komplexe Einblicke in die Hofkultur Johann Georgs II. zu gewinnen, die mit einer konventionellen Edition nicht möglich wären.

So lassen sich beispielsweise Fragen nach der zeitlichen Anwesenheit bestimmter Personen am Dresdner Hof stellen oder Muster in der gemeinsamen Erwähnung von Personen erkennen. Auch die Nutzung verschiedener Orte durch die höfische Gesellschaft kann nachvollzogen werden. Die Analysemöglichkeiten hängen selbstverständlich von der Markierungstiefe ab: Je mehr Elemente im Text markiert werden (mittels <spitzer Klammern>), desto vielfältiger sind die möglichen Fragestellungen.

Betrachten wir eine von mehreren möglichen Analysemöglichkeiten: die Beziehungen der Hofgesellschaft zum Kurfürsten und die zeitliche Entwicklung der Ämterverteilung. Eine naheliegende Frage an die TEI:XML-Datei für diese Analyse ist: Wer wird mit welchen Bezeichnungen und wie oft erwähnt? Um herauszufinden, welche Personen im Hofdiarium von 1665 wie oft, mit welchen Amtsbezeichnungen und zu welchen Zeitpunkten genannt werden, wird eine gezielte XQuery-Abfrage durchgeführt. Das Ergebnis ist ein umfangreicher Datensatz im Format „Personenbezeichnung; Datum der Erwähnung,“. Die Weiterverarbeitung dieses Datensatzes erfolgt in OpenRefine. Hier werden Person und Datum mittels Komma und Semikolon in getrennte Spalten überführt.

Bild 3: Auszug des Datenexports aus der TEI:XML des Hofdiariums.

Eine besondere Herausforderung ist die Disambiguierung der Personenbezeichnungen. Denn der Datenexport liefert verschiedene Bezeichnungsvarianten einer einzelnen Person wie ‘Oberhoffmarſchall Freÿherr von Callenberg’, ‘Churfürſtin Hoffmeiſter der von Vizthumb’ oder ‘Churfürstliche Prinzeßin’. Der vollständige Name des Oberhofmarschalls beispielsweise lautet in moderner Schreibweise ‚Kurt Reinicke von Callenberg‘. In den Diarien taucht er jedoch in verschiedenen Schreibvarianten auf: Von der ausführlichen Bezeichnung ‚Curt Reinicke Freyherr von Callenbergk Oberhoffmarschall und Landtvoigt‘ bis zur verkürzten Bezeichnung als ‚Oberhoffmarschall‘. Auch die Schreibweise seiner Amtsbezeichnung variiert zwischen ‚Oberhoffmarschall‘ und ‚Oberhofmarschalch‘, während sein Familienname manchmal auch nur als ‚Callenb.‘ abgekürzt wird.

Die extrahierten Daten bedürfen daher sorgfältiger Aufbereitung, bei der alle Schreibvarianten einer eindeutigen Person zugeordnet werden müssen. Eine manuelle Lösung bestünde darin, allen Personen bereits in der ursprünglichen TEI:XML-Datei eine eindeutige Nummer zuzuweisen – meist bereits vorhandene GND- oder Wikidata-Nummern. Dieser Ansatz hat jedoch zwei entscheidende Nachteile: Zum einen ist der Zeitaufwand enorm: Das Hofdiarium von 1665 enthält mehr als 2.400 Personennennungen, die sich auf etwa 500 Einzelpersonen verteilen: Allein der Kurfürst wird 366 Mal genannt, sein Sohn erscheint 172 Mal, und der kurfürstliche Kapellmeister Joseph Peranda wird 55 Mal erwähnt.

Zum anderen – und das wiegt aus Sicht der Datengewinnung schwerer – gingen wichtige Informationen verloren. Titel und Ränge waren für die höfische Gesellschaft von zentraler Bedeutung. Um die Funktionsweise dieser Gesellschaft zu entschlüsseln, sind diese Bezeichnungen unerlässlich. Außerdem gibt es für das 17. Jahrhundert noch keine gedruckten Verzeichnisse der Hofchargen. Die detaillierten Personenbezeichnungen der Hofdiarien stellen also zugleich eine wertvolle Informationsquelle für zukünftige Forschungen dar.

Das Programm OpenRefine ermöglicht es, beide Anforderungen zu erfüllen: Ursprüngliche Schreibweisen bleiben für die spätere Referenzierung erhalten, gleichzeitig können die Daten systematisch aufbereitet und disambiguiert werden. Nach Abschluss der Disambiguierung können die bereinigten Personennamen als Attribute der Personenelemente in die TEI:XML-Datei zurückgeführt werden – ein Verfahren, das den Arbeitsaufwand gegenüber der manuellen Auszeichnung erheblich reduziert.

Mit Hilfe einer eigenen an Python angelehnten Funktionssprache und leistungsfähigen Werkzeugen können wir nun daran gehen, die Personenbezeichnungen in OpenRefine ohne Informationsverlust zu disambiguieren. Dazu werden in einem ersten Schritt aus Gründen der Übersichtlichkeit Leerzeichen durch Unterstriche („_“) ersetzt und nicht informationstragende Wörter wie ‚in‘, ‚von‘, ‚der‘, etc. entfernt. Aus dem „churfuerstlichen Cammerherr und Cornet Friederich Albrecht von Goeze“ wird so „cammerherr_cornet_friederich_albrecht_goeze“. Ziel ist es den Datensatz auf seine wesentlichen Bestandteile – Amtsbezeichnungen, Vornamen und Familiennamen – zu reduzieren.

Die Disambiguierung erfolgt durch verschiedene Verfahren des Natural Language Processing. Grundlegend ist dabei der Ansatz, jeden Personennamen als Zeichenkette zu betrachten. Ein Name wie G O E T Z E kann durch Austausch, Weglassen oder Hinzufügen einzelner Buchstaben in Varianten wie G O E Z E oder G O T Z E überführt werden – alles Schreibweisen, die in den Quellen vorkommen können und dieselbe Person bezeichnen. Dieser Prozess kann algorithmisch automatisiert werden: Beispielsweise über die so genannte Levenshtein-Distanz: die Anzahl der Zeichenoperationen, die nötig sind, um eine Zeichenkette in eine andere umzuwandeln. Sie ermöglicht es, viele Unregelmäßigkeiten in den Daten zu bereinigen, indem Schreibvariationen vereinheitlicht werden. Durch mehrere derartige Disambiguierungsschritte mit weiteren Verfahren, die unter anderem den Klang der gesprochenen Wörter berücksichtigen, kann der ursprüngliche Datenexport mit vertretbarem Aufwand in eine Tabelle mit eindeutig identifizierten Personen überführt werden.

Bild 4: Disambiguierung mittels Metaphone-Algorithmus in OpenRefine, der unterschiedlich geschriebene Wörter mit ähnlichem Klang bei der Aussprache zusammenführt.

Das Resultat gleicht einer Rangliste der Hofgesellschaft: Es zeigt, welche Personen wie häufig und in welchen Zeiträumen Erwähnung finden. An der Spitze steht erwartungsgemäß mit „Sachsen“ die kurfürstliche Familie – Johann Georg II., sein Sohn und künftiger Kurfürst Johann Georg III. sowie die Kurfürstin Magdalena. Die Tochter Erdmuthe Sophie hat 1662 geheiratet und wird bedeutend seltener und eher im Kontext besonderer familiärer Zusammenkünfte genannt. Besonders aufschlussreich wird die Analyse bei den nachfolgenden Personen.

Bild 5: Tabelle der meistgenannten Familiennamen in Open Refine.

An zweiter Stelle folgt der bereits erwähnte Oberhofmarschall Kurt Reinicke Freiherr von Callenberg, entsprechend seiner Verantwortung für die Organisation des höfischen Zeremoniells und die Leitung des Hofdiariums.

Auffallend ist die häufige Erwähnung Joseph Perandas, des Hofkapellmeisters Johann Georgs II. Als italienischer Katholik am protestantischen Kurfürstenhof musste er sich gegen die pietistischen Hofprediger und seinen Kollegen Heinrich Schütz behaupten. Auch weil seine neue und als zu lebhaft empfundene italienische Kirchenmusik auf Widerstand stieß: Oberhofprediger Martin Geier bezeichnete sie als ausschweifig, gebrochen, täntzerlich und eher für Theater und Tantzplatz als zur Kirche geeignet.[5] Auch Heinrich Schütz beklagte sich über seine italienischen Kollegen, die ihm als Hofkapellmeister den Vorwurf eingebracht hätten, die teils unbeliebten ausländischen Musiker an den sächsischen Hof geholt zu haben. Diese Rivalität zwischen den beiden Kapellmeistern spiegelt sich eindeutig in den Zahlen wider: Während Peranda 55 Mal als Komponist der dokumentierten Kirchenlieder genannt wird, taucht der alternde Schütz nur neun Mal auf.

Über 50 Erwähnungen der Familie von Gersdorff, die dem Oberlausitzer Uradel angehörte, verdeutlichen die politischen Folgen des Dreißigjährigen Krieges: Nach der Einverleibung der Oberlausitz (1635) spiegelte sich der territoriale Zugewinn scheinbar auch in der Zusammensetzung der im Diarium genannten Personen wider. Mehrere Mitglieder der Familie bekleideten mittlerweile Hofämter: Nicol Gersdorff als Kammerherr und Geheimer Rat, Hans Hieronymus und Gottfriedt Gersdorff als Kammerjunker. Die Mehrzahl der Personennennungen mit dem Familiennamen Gersdorff ist auf eine kurfürstliche Reise im Mai 1665 in die Oberlausitz zurückzuführen, bei der die alteingesessene Familie offensichtlich die Nähe des Kurfürsten suchte und deswegen häufig in den Hofdiarien erwähnt wird.[6]

Nach dem Kammerherrn und Oberstallmeister Friedrich Albert Götz (46 Nennungen) folgt mit 41 Nennungen die Familie von Reiffenberg, vertreten durch den kurmainzischen Gesandten Philipp Ludwig von Reiffenberg. Seine häufige Anwesenheit am Hof im März 1665 und von November bis Dezember erklärt sich aus seiner diplomatischen Mission: Als Unterhändler des Mainzer Kurfürsten sollte er den sächsischen Kurfürsten für die kurmainzische Politik gewinnen.

Die häufige Erwähnung der Familie von Dernath geht auf ein einflussreiches Ehepaar zurück: Graf Gerhard von Dernath vereinigte laut Hofdiarium die Ämter des Geheimen Kriegsrates, des Generalwachtmeisters, des Kammerherrn, des obersten Falkenmeisters und des Obristen in sich. Seine Gemahlin Christina nahm als kurfürstliche Oberhofmeisterin ebenfalls eine Schlüsselposition am Hof ein. Einen interessanten Kontrast dazu bildet der klassische Günstling, Kammerherr und Obristlieutenant Graf Wolf Lorenz von Hofkirch: Aus religiösen Gründen nach Kursachsen emigriert, stieg er rasch in hohe Ämter auf, musste den Hof aber bald wieder verlassen.

Besondere Aufmerksamkeit verdienen die 29 Nennungen der Familie von Sachsen-Altenburg. Sie beziehen sich vor allem auf Prinzessin Johanna Magdalena von Altenburg, die sich von Juli bis November fast ständig in der Nähe des Hofes aufhielt und regelmäßig zu Privataudienzen beim Kurfürstenpaar empfangen wurde. Das absehbare Aussterben der Altenburger Linie machte die noch unverheiratete Prinzessin zu einer Schlüsselfigur in den innerwettinischen Machtkämpfen. Ihre enge Einbindung in das höfische Leben, die in den Hofdiarien sichtbar wird, spiegelt die strategische Ausrichtung der kurfürstlichen Familie auf das künftige Altenburger Erbe wider.

Um zu einem vorläufigen Fazit zu kommen: Die datengestützte Analyse verdeutlicht, wie die Zusammensetzung der Hofgesellschaft und die messbare Häufigkeit spezifischer Personen als Spiegel kurfürstlicher Politik dienen kann. Zugleich ermöglicht die vorgestellte quantitative Perspektive neue Einblicke in die Rangspiele und Konflikte unter den Höflingen. Dabei ist die reine Auszählung der Personennennungen nur ein erster Anfang: Die ebenso in den Diarien dokumentierten Sitzordnungen spiegeln die Machtverhältnisse weitaus besser wider. Auch sie lassen sich quantitativ erschließen. Zudem bieten die einmal aggregierten Daten eine wertvolle Grundlage für weiterführende prosopographische Studien.

Die im laufenden Projekt erzeugten Forschungsdaten – zum Zeitpunkt der Veröffentlichung des Blogbeitrages das Hofdiarium von 1665 – sollen in zwei Formaten öffentlich zugänglich gemacht werden: Eine menschenlesbare Version über das Deutsche Textarchiv sowie eine maschinen- und menschenlesbare Variante als TEI:XML über Zenodo.[7] Darüber hinaus können die Transkriptionen der Hofdiarien auch dazu verwendet werden, eigene Sprachmodelle zu trainieren, die wiederum für die Erschließung weiterer Bände mittels maschineller Handschriftenerkennung (Handwritten Text Recognition) eingesetzt werden können.[8] So können die restlichen Bände ausreichend exakt transkribiert werden, um die vorgestellten Analysen mit vertretbarem Aufwand auf größere Zeiträume auszudehnen.


Autor

Dr. Stefan Beckert ist seit 2024 Forschungsstipendiat in der Abteilung Handschriften, Alte Drucke und Landeskunde der SLUB Dresden und Fellow of Digital History an der Professur für Geschichte der Frühen Neuzeit der Technischen Universität Dresden. Bis 2024 promovierte er im Sonderforschungsbereich 1285 „Invektivität. Konstellationen und Dynamiken der Herabsetzung“ mit den Schwerpunkten Kommunikations-, Reichs- und politische Kulturgeschichte der Frühen Neuzeit.


[1] Vgl. SLUB Mscr.Dresd.K.80, 88, 91, 104, 113 und 117. Weit umfangreicher sind die Bestände des Dresdener Hauptstaatsarchivs. Hier finden sich unzählige Hofdiarien in den Verzeichniseinheiten 10024 (Geheimer Rat) 067.02.04 (Hofdiarien) und 10006 (Oberhofmarschallamt) 1.39.4 (Dresdner Hoftagebücher Serie B).

[2] Vgl. grundsätzlich und mit Blick auf das Reich: Barbara Stollberg-Rilinger: Des Kaisers alte Kleider. Verfassungsgeschichte und Symbolsprache des Alten Reichs, München 2008, S. 299-305. Vgl. für die Konkurrenzen am kursächsischen Hof: Katrin Keller: Der Hof als Zentrum adliger Existenz? Der Dresdner Hof und der sächsische Adel im 17. und 18. Jahrhundert. In: Ronald Asch (Hrsg.): Der europäische Adel im Ancien Régime. Von der Krise der ständischen Monarchien bis zur Revolution (ca. 1600-1789), Köln 2001, S. 207-233.

[3] Derartige Konflikte sind dokumentiert in Keller: Hof als Zentrum, S. 217-220.

[4] Vgl. exemplarisch Uta Deppe: Die Festkultur am Dresdner Hofe Johann Georgs II. von Sachsen (1660-1679), Kiel 2006 (= Bau + Kunst, Bd. 13) ; Christian Horn: Der aufgeführte Staat. Zur Theatralität höfischer Repräsentation unter Kurfürst Johann Georg II. von Sachsen, Tübingen 2004 (= Theatralität, Bd. 8); Mary Frandsen: Crossing Confessional Boundaries. The Patronage of Italian Sacred Music in 17th Century Dresden, New York 2006. Vgl. jetzt auch Jochen Vötzsch: Iterinar des Kurfürsten Johann Georg I. von Sachsen. In: Andreas Rutz/Joachim Schneider/Marius Winzeler (Hgg.): Kurfürst Johann Georg I. und der Dreißigjährige Krieg in Sachsen, Dresden 2024 (= Spurensuche. Geschichte und Kultur Sachsens, Sonderbd. 2), S. 163-179.

[5] Wolfgang Steude: Zur Musik am sächsischen Hof in Dresden während der Regierung Kurfürst Johann Georgs II. In: Dresdner Hefte 11 (1993), H. 1, Nr. 33 (Johann Georg II. und sein Hof. Sachsen nach dem Dreißigjährigen Krieg), S. 69-79, hier: S. 76.

[6] Erwähnt werden hier: Amtshauptmann Gottlob Ehrenreich Gersdorf, Klostervoigt Gersdorf, Generalwachtmeister Gersdorf, Gotthardt Magnus Gersdorf, Joachim Ernst Gersdorf, Landesältester Wolf Georg und Caspar Christoph Gersdorf, Oberamtmann Gersdorf.

[7] Stefan Beckert: TEI:XML des Hofdiariums Kurfürst Johann Georgs II. von Sachsen von 1665 (SLUB Mscr.Dresd.K.80) (Version 1(2024_12_20)) [Data set], 2024, https://doi.org/10.5281/zenodo.14536743.

[8] Ein erstes Datenset für das Finetuning bestehender Modelle ist bereits publiziert: Stefan Beckert: Ground Truth Set for Handwritten Text Recognition (HTR/OCR): Dresdner Hofdiarium 1665 (Mscr.Dresd.K.80) – 17th century Kurrent manuscript [Data set], 2024, https://doi.org/10.5281/zenodo.14356190.


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GastautorIn (21. Januar 2025). Digitale Vermessung der Hofgesellschaft. Die Hofdiarien Johann Georgs II. von Sachsen (1656-1680) als frühneuzeitliche Datenspeicher und Quelle der Digital History. Saxorum. Abgerufen am 19. Februar 2025 von https://doi.org/10.58079/134ll


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