Interdisziplinäre Zugänge zur Heimatforschung in Sachsen-Anhalt

Eine Rezension zu Landesheimatbund Sachsen-Anhalt e. V. (Hrsg.): Konnex. Zeitschrift für Heimat- und Regionalforschung in Sachsen-Anhalt, Bd. 1, Münster: Waxmann Verlag, ISBN 978-3-8309-4810-0, verfasst von Martin Munke

„Heimatforscher. Die Qualifizierung von Engagierten in den Bereichen Ortschronik und Heimatgeschichte stärken, ihre Arbeitsbedingungen verbessern und Nachwuchs gewinnen“ – der Titel eines in den vergangenen Jahren beim Landesheimatbund Sachsen-Anhalt durchgeführten Projektes zeigt eine Vielzahl von Zielsetzungen, die mittlerweile vom aus dem Projekt hervorgegangenen Heimatforschernetzwerk Sachsen-Anhalt adressiert werden. Produkte sind zum Beispiel ein regelmäßig durchgeführtes Schulungsangebot, in dem Heimatforschende mit den Grundlagen wissenschaftlichen Arbeitens vertraut gemacht werden, eine Reihe „Ortschroniken digital“, die auf dem Forschungsdatenrepositorium Zenodo im Open Access veröffentlicht wird – und seit diesem Jahr auch ein neues Zeitschriftenvorhaben, das unter dem Titel „Konnex“ die ehrenamtliche und die professionelle Forschung miteinander verknüpfen will. Dabei sollen „Themen der Heimat- und Regionalforschung aus verschiedenen Blickwinkeln betrachtetet und Verbindungen und Zusammenhänge zwischen den unterschiedlichen Zugängen zu diesem Themenfeld sichtbar gemacht werden“. 

Titel der ersten Ausgabe von „Konnex“ (© Waxmann Verlag)

Die erste Ausgabe entfaltet ein breites Spektrum von inhaltlichen (Rubrik „Neu erforscht“) und methodischen Beiträgen („Bausteine“). Deutlich wird dabei der interdisziplinäre Ansatz, der ethnologisch-volkskundliche („Heute Frauenrecht. Der Grasedanz in Hüttenrode [Harz]“), erinnerungskulturell-historische („Kriegerdenkmal für die Gefallenen von 1870/1871. Einblicke in kaisertreue Fest- und Gedenkkultur in Anhalt“, „Die französischen Kriegsgefangenen in der Festung Magdeburg 1870/71“) und kunstgeschichtliche Untersuchungen („Ein Meisterwerk für den deutschen Kaiser. Der Magdeburger Graveur Carl Friedrich Hermann Held“, „,Vöge hat sich in ein Klima zurückgezogen’. Der Kunsthistoriker Wilhelm Vöge in Ballenstedt“) aufeinander folgen lässt, wobei der zeitliche Schwerpunkt auf der zweiten Hälfte des 19. und dem frühen 20. Jahrhundert liegt. Der Ansatz, ein „breites Publikum“ zu adressieren, zeigt sich u. a. in der expliziten Erläuterung von fachwissenschaftlichen Begriffen und Methoden, z. B. „Teilnehmende Beobachtung“ und „Feldforschung“ im Beitrag von Christine Schlott zum Grasedanz – seit 2020 ein Immaterielles Kulturerbe.

Über die Landesgrenzen von Sachsen-Anhalt hinaus von Relevanz sind die Beiträge in der Rubrik „Bausteine für Ortschronist:innen und Heimatforscher:innen“, die auf den Inhalten des o. g. Grundkurses basieren. Der Schwerpunkt in dieser ersten Ausgabe von Konnex liegt dabei auf Karten und ihren Besonderheiten als historischen Quellen. Martin Freudenreich (Landesamt für Denkmalpflege und Archäologie Sachsen-Anhalt) widmet sich einleitend Geoinformationen als „Grundlage zur räumlichen Verortung von Objekten und Sachverhalten im physischen Raum“ (S. 50) unter Konzentration auf analoge und digitale topografische Karten, digitale Orthofotos und digitale Geländemodelle – wiederum unter gesonderter Erläuterung von Fachbegriffen (S. 52, so auch in weiteren Beiträgen). Deutlich werden die besonderen Herausforderungen in der Interpretation der Verbindung von grafischen und textuellen Informationen, denen zugleich häufig eine hohe Subjektivität beiwohnt. Veranschaulicht (auch mit zahlreichen Abbildungen) werden die Ausführungen am Beispiel der Leipzig-Lüneburger Heer- und Frachtstraße.

Katrin Möller vom Historischen Datenzentrum Sachsen-Anhalt führt anschließend knapp in die Nutzung der freien Geoinformationssystemsoftware QGIS ein, ehe Martin Scheuplein (Universitäts- und Landesbibliothek Sachsen-Anhalt) die einschlägigen kartografischen Sammlungen der Landesbibliothek vorstellt. Annett Rose vom Landesamt für Vermessung und Geoinformation Sachsen-Anhalt schließlich zeigt am Beispiel von Dammendorf im Saalekreis die Vielfalt kartografischer Darstellungsmöglichkeiten auf: Situationspläne, Separationskarten, Gemarkungskarten, Messtischblätter, Flurkarten, Eisenbahnkarten und digital geführte topografische Karten folgen je eigenen gestalterischen Logiken und weisen entsprechend unterschiedliche Informationsgehalte auf, die v. a. in der Kombination zu neuen Erkenntnissen führen können.

Abgerundet wird die erste Ausgabe von „Konnex“ durch die beiden Rubriken „Work in Progress“, in der u. a. das 2020/21 als Abteilung des Landesamts für Denkmalpflege und Archäologie neu gegründete Institut für Landesgeschichte, der Geschichtsverein für Halberstadt und das nördliche Harzvorland, mehrere lokale Publikationsorgane und digitale Initiativen im Museumsverband Sachsen-Anhalt vorgestellt werden, und „Gesehen, Gelesen, Gehört“ als umfangreichem Rezensions- und Berichtsteil. Die auch grafisch ansprechend gestaltete und reicht bebilderte Zeitschrift bietet so interessante Einblicke in die aktuellen Entwicklungen in der Heimat- und Regionalforschung in Sachsen-Anhalt – wobei es auffällig ist, dass beide Begriffe eher selten in dieser Kombination verwendet werden und die Herausgebenden dazu auch keine konzeptionellen Erläuterungen geben. Allerdings wäre es natürlich sehr wünschenswert, wenn sich „Heimatforschung“ im Sinne einer modernen Regionalforschung weiterentwickeln würde. Ansätze und Angebote dazu werden mit der Zeitschrift und den weiteren Aktivitäten des Landesheimatbundes jedenfalls gemacht. Zur weiteren Verbreitung würde sicher noch ein Open-Access-Angebot für die digitale Ausgabe von „Konnex“, das im Waxmann-Verlag erscheint, beitragen. Verdient hätte es die Zeitschrift jedenfalls.


OpenEdition schlägt Ihnen vor, diesen Beitrag wie folgt zu zitieren:
Martin Munke (1. Oktober 2024). Interdisziplinäre Zugänge zur Heimatforschung in Sachsen-Anhalt. Saxorum. Abgerufen am 19. Februar 2025 von https://doi.org/10.58079/12fey


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